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'Die blaue Blume' der Winterreise

Winterreise; Wilhelm Müller; Novalis; Die blaue Blume
Frühlingstraum_2021_Öl auf Leinwand

'Die blaue Blume' ist das zentrale Symbol romantischer Poesie. Sie steht für Sehnsucht und Liebe und für das metaphysische Streben nach dem Unendlichen. Sie steht auch für die Verbindung von Natur, Geist und Mensch – und dem Streben nach Erkenntnis, dem Selbst. Im Selbst kommt alles zusammen,

der, der nachdenkt und fühlt,
der, über den nachgedacht und gefühlt wird, und
das Ergebnis der Gedanken und Gefühle, also das Erkennen des höheren Selbst.

Wenn man die Liebe in all ihren Formen durchlebt, dann erkennt man die Natur und dadurch sich selbst. Die blaue Blume entstammt dem Romanfragment 'Heinrich von Ofterdingen' des Naturwissenschaftlers und Dichters Novalis alias Friedrich von Hardenberg.

Der junge Heinrich sehnt sich nach einer blauen Blume, von der ihm ein geheimnisvoller Fremder erzählt hat. Im Traum findet er sich in einer Höhle wieder, durchschwimmt ein Wasserbecken und wird von einer wunderbaren blauen Blume angezogen. Er kann nicht anders, als sie mit unnennbarer Zärtlichkeit lange zu betrachten. Da neigt sie sich ihm zu und in ihren Blütenblättern erscheint ein zartes Gesicht. Er fällt in süßes Staunen, bis ihn der Ruf der Mutter weckt.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Wilhelm Müller in seinem Gedicht selbst an 'Die blaue Blume' gedacht hat und sehe die Analogien. Bei Müller sind es die Hähne, die den Schläfer aus dem Traume reißen. Malerfantasien?

Frühlingstraum
von Wilhelm Müller

Ich träumte von bunten Blumen,
So wie sie wohl blühen im Mai,
Ich träumte von grünen Wiesen,
Von lustigem Vogelgeschrei.

Und als die Hähne krähten,
Da ward mein Auge wach;
Da war es kalt und finster,
Es schrieen die Raben vom Dach.

Doch an den Fensterscheiben
Wer mahlte die Blätter da?
Ihr lacht wohl über den Träumer,
Der Blumen im Winter sah?

Ich träumte von Lieb’ um Liebe,
Von einer schönen Maid,
Von Herzen und von Küssen,
Von Wonn’ und Seligkeit.

Und als die Hähne krähten,
Da ward mein Herze wach;
Nun sitz’ ich hier alleine
Und denke dem Traume nach.

Die Augen schließ’ ich wieder,
Noch schlägt das Herz so warm.
Wann grünt ihr Blätter am Fenster?
Wann halt’ ich dich, Liebchen, im Arm?

 

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